Wie kann es sein, dass mitten in Deutschland so viel Armut herrscht?

Michael Meyer 16.11.2016

Liebe Freundinnen und Freunde der "Stiftung Lebenswerte",

ich werde oft gefragt warum meine Frau und ich die "Stiftung Lebenswerte" gegründet haben.

Ich kann sie ganz gut an einem Beispiel beantworten.

Ich bin ein großer Fan der kanadischen Jazzsängerin und Pianistin Diana Krall. Sie hat einmal in einem Interview gesagt: "Alleine bin ich nichts und alleine wäre ich auch nichts geworden. Wir brauchen immer Menschen, die unsere Fähigkeiten erkennen und uns Mut machen sie zu entwickeln."

Sie hatte solche Menschen. Schon als ganz kleines Kind erlebte sie in ihrem Elternhaus die Kultur der Hausmusik. Sie lernte Klavier spielen und man erkannte ihr außerordentliches musikalisches Talent. Dies wurde in der Schule weiterentwickelt. Es gab auch Menschen, die ihre Stimme förderten, an die sie selbst zunächst gar nicht recht glaubte. Später bekam sie ein Stipendium um sich weiterzuentwickeln. Es entwickelte sich eine beispiellose Weltkarriere.

Ich habe sie schon mehrmals live erlebt und war jedes Mal tief berührt von ihrer unglaublichen Stimme und ihrem begnadeten Klavierspiel.

Jeder von uns kann eine beispiellose individuelle Karriere erleben, wenn er das tut was er liebt oder das liebt was er tun. Dazu brauchen wir Menschen in unserem direkten Umfeld, die unsere individuellen Fähigkeiten erkennen und fördern, Menschen, die an uns glauben und uns Mut machen.

Leider haben in unserem hochentwickelten Land immer weniger Menschen dieses Glück und das obwohl in unserem Land so viel Kreativität steckt, um ein gutes und würdiges Leben miteinander zu gestalten und das obwohl doch die "Steuereinnahmen sprudeln und sprudeln " (F.A.Z.).

Wie kann es dennoch sein, dass nach Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe deutschlandweit 2014 rund 335.000 Menschen ohne Wohnung waren. So viel wie noch niemals zuvor. Im Jahr 2018 sind es nach der Prognose der Arbeitsgemeinschaft bereits mehr als 500 000 Menschen. Das wäre eine Steigerung um 60 Prozent. 10 % davon sind Kinder. Hallo, das sind 50.000 Kinder in Deutschland.

Wie kann es sein, dass immer mehr Menschen in Deutschland sich ihre Krankenversicherung nicht mehr leisten können und keinen Versicherungsschutz haben. Dazu gehören auch 250000 Menschen, die auf der Straße leben.

Aber nicht nur die müssen sich notwendige Medikamente erbetteln. Dazu gehören auch immer mehr privatversicherte Menschen in der Freiberuflichkeit und Kleinunternehmer, die in eine wirtschaftliche Notlage geraten sind und die stetig steigenden Krankenkassenbeiträge nicht mehr zahlen können. Nach Angaben des Verbandes der privaten Krankenversicherungen waren zum 31.12.2015 in den sogenannten Sozialtarifen 191000 Menschen versichert. Davon mussten 115800 in den sogenannten Notlagentarif wechseln, mit stark eingeschränkter Versorgungsleistung.

Wie kann es sein, dass nach Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe seit 1991 mindestens 289 Menschen in Deutschland erfroren sind. Sie seien unter Brücken, auf Parkbänken, in Hauseingängen, Abrisshäusern oder Gartenlauben erfroren. Nicht ihn Sibirien, nein, mitten in Deutschland.

Wie kann es sein, dass hunderttausende Kinder in der Bundesrepublik nicht genug zu essen bekommen. „Man kann davon ausgehen, dass etwa 500.000 Kinder in Deutschland nicht ausreichend ernährt werden und immer wieder Hunger leiden“, sagte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Wolfram Hartmann, anlässlich des Welthungertags 2016.

Wie kann es sein, dass ein 82 jähriger in einer Bankfiliale in Essen zusammenbricht und vier nachfolgende Kunden ihn ignorieren. Teilweise gingen sie nah an dem Sterbenden vorbei oder stiegen hinüber, um ihre eigenen Finanzgeschäfte durchzuführen. Anschließend hätten die Kunden den Vorraum wieder verlassen . Dies geht aus dem Film einer Überwachungskamera hervor, den die Polizei bei ihren Ermittlungen ausgewertet hat. Erst nach 20 Minuten holte ein Kunde Hilfe. Leider zu spät, der Mann stirbt im Krankenhaus.

Wie kann es sein, dass ein totes Ehepaar aus Hannweiler bei Saarbrücken erst nach über einem halben Jahr gefunden wird.

Was ich mich wirklich ärgert ist wie wenig wertschätzend wir uns häufig über Menschen in Not unterhalten. Sie werden häufig abqualifiziert als Penner, Verlierer, Asoziale, die Illegalen.

Ich frage mich wer hier asozial ist.

Die "Stiftung Lebenswerte" möchte SIE einladen hinzuschauen anstatt wegzuschauen und zu verbinden wo Trennung ist und dort zu helfen wo Menschen in Not sind.

Michael Meyer

Geschäftsführer Stiftung Lebenswerte